MigrantInnen als BürgerInnen

Bedenkt man die zentrale Rolle des Themas in der aktuellen öffentlichen Diskussion in Europa, ist eines klar: Sich zu Migration zu äußern ist politisches Handeln. Aus allen Eurobarometer-Berichten der letzten Zeit geht hervor, dass EU-BürgerInnen Migration als eines der brennendsten Probleme der Gesellschaft betrachten: „Einwanderung und Terrorismus sind zweifellos die größten Sorgen auf EU-Ebene“, hieß es im Eurobarometer 88 (2017), während sich dem The Observatory of Public Attitudes to Migration entnehmen lässt, dass ein erheblicher Anteil der EuropäerInnen negative Gefühle gegenüber der „Einwanderung von Menschen von außerhalb der EU“ hegt.

In ihrem Artikel über die gesellschaftliche Kommunikation zu Migration und Asyl in Italien erklärt Paola Parmiggiani (2015, S. 4), dass der in der Öffentlichkeit, in den Medien und in der Politik vorherrschende Diskurs dazu tendiert, „dem Migrationsphänomen einen vorübergehenden und provisorischen Charakter zuzuschreiben, etwa eine zeitliche Begrenztheit. Als ‚Gäste‘ erscheinen MigrantInnen fast als suspendierte Individuen, als ‚doppelt abwesende‘ Personen (Sayad 2002), über deren Hoffnung auf eine Zukunft oder Stabilität im ‚vorübergehenden‘ Gastland man sich keine Gedanken zu machen braucht; als Anwesende, deren Gegenwart gleichwohl verleugnet wird, deren Geschichten, Lebenserfahrungen und Kompetenzen zweitrangig sind; als minderwertige Personen, mit einem niedrigen Bildungsniveau, zumeist in Verbindung mit geringen kognitiven Fähigkeiten, die ihr Land verlassen haben, weil es ihnen an Qualifikationen mangelte“. Eine Gesellschaft, die bestimmten Körpern das natürliche Recht auf bestimmte Räume zuschreibt, anderen aber nicht, wird „rassifizierte Körper“ oft als „Eindringlinge“ wahrnehmen, wie Nirmal Puwar (2004) festhält.

Kommunikationskampagnen müssen die gegenteilige Botschaft vermitteln. Sie dürfen keinen Zweifel daran lassen, dass MigrantInnen neue Mitglieder der Gastgesellschaft sind, der Bevölkerung klarmachen, dass eine langfristige Perspektive erforderlich ist. Und sie müssen aufzeigen, dass es umso einfacher ist, einen Tugendkreis zu erzeugen und die Neuankömmlinge zu befähigen, einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, je mehr die Gesellschaft in die Inklusion von MigrantInnen investiert.

Allerdings muss man sich bei der Kommunikation zum Thema Migration stets einer Gefahr bewusst sein – der Gefahr, klischeehafte Bilder zu vermitteln.

In Zusammenhang mit Kommunikationskampagnen zum Thema Arbeitsmarktintegration fordert Paola Parmiggiani etwa, dass sie unbedingt vermeiden sollten, MigrantInnen so darzustellen, „wie es von ihnen angenommen wird: als dauerhaft auf Unterstützung Angewiesene oder in der Rolle von Beschäftigten mit niedrigem Qualifikationsniveau. Damit würde man, anstatt das vorherrschende Bild zu dekonstruieren, es am Ende verstärken und die MigrantInnen auf eine dem Klischee entsprechende Rolle zurückverweisen“.

Hohe Wirksamkeit attestiert die Autorin dagegen Aufklärungskampagnen, die Flüchtlinge als „Menschen wie wir darstellen (qualifizierte Fachleute, Lehrkräfte, Künstler, Wissenschaftler, Arbeiter, Bauern), mit dem einen Unterschied, dass sie durch Krieg oder Verfolgung gezwungen waren, ihr Zuhause zu verlassen, ihr Land, ihre geliebten Menschen. Als Menschen, die, einmal in unsere Gesellschaft integriert, zu ihrem wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Wachstum beitragen und ihrem Asylland Prestige verschaffen können, wenn ihnen dort die Chance gegeben wird, sich auszudrücken“ (ebenda, 2015, S.7).

Stereotypen/Klischees vermeiden

Der Versuch, ein Gegennarrativ (siehe auch den Abschnitt Storytelling) zur Darstellung von MigrantInnen als Bedrohung zu entwickeln, kann auf die Konstruktion eines entgegengesetzten Klischees hinauslaufen – das einer „guten Migrantin“, eines „guten Migranten“; gut, weil sie/er integriert werden kann und aus Sicht der Gastgemeinschaft „akzeptabel“ ist. Wie die AutorInnen der Essays in der Anthologie The Good Migrant (2016) betonen, führt das dazu, dass People of colour stets darauf bedacht sind, ihre Gegenwart zu rechtfertigen, zu demonstrieren, dass sie „ihren Platz am Tisch verdient“ haben.



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Communication of Local AuthoRities for INtegration in European Towns


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